Ablaufende Patente befeuern M&A-Aktivitäten im Biotech-Sektor

Biotechlabore bleiben Innovationsmotor

Bellevue ist ein spezialisierter Asset Manager mit den Kernkompetenzen Healthcare-Strategien, alternative und traditionelle Anlagestrategien

Immer mehr Menschen können mit Arzneien und medizinischen Geräten stetig besser behandelt werden. Allein in den USA, dem global größten Gesundheitsmarkt, wurden 2021 50 Medikamente zugelassen. Damit setzt sich der positive Trend der letzten Jahre fort. Im Vergleich zu den unternehmerischen Erfolgen und dem kommerziellen Potenzial fiel die Rendite für Investoren zuletzt bescheiden aus. Umso mehr lohnt sich jetzt der Blick nach vorne.

Zugleich verfügen sie dank der anhaltend hohen Mittelzuflüsse über enorme Cashreserven. Der traditionell hohe Barmittelbestand wird im Fall von Pfizer durch die Einnahmen mit dem Covid-19-Impfstoff und seit Kurzem auch mit der Covid-19-Therapie Paxlovid noch weiter verstärkt. Andere Pharmakonzerne wie Johnson & Johnson, Novartis und Glaxo-Smith-Kline werden durch die geplanten Ausgliederungen einzelner Unternehmensteile einen starken Mittelzufluss erhalten. Diese Milliardenbeträge werden zum einen als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet. Gerade für die Generalisten-Investoren sind die hohen Dividendenausschüttungen ein zentrales Argument für den Kauf von Pharmaaktien. Zum anderen wird Big Pharma kräftig in Kooperationen investieren und die aktuell niedrige Bewertung des Biotechsektors für Akquisitionen nutzen.

Medizintechnik profitiert von Nachholeffekten

Die steigende Lebenserwartung der Erdbevölkerung, der wachsende Wohlstand sowie Innovationen bei Geräten und medizinischen Instrumenten bereiten letztlich den Boden für ein langfristiges strukturelles Wachstum des Medtechsektors mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung besser und effizienter zu gestalten. Erwartet werden Wachstumsraten von 5-6 Prozent, die damit deutlich über denen der Weltwirtschaft liegen, zudem sollte die Profitabilität weiter gesteigert werden können.

Die größten Innovationsschübe im Sinne von marktreifen Produkten und Technologien gab es in den letzten Jahren in der Diabetesbehandlung, dem minimalinvasiven Herzklappenersatz, der Neurostimulation bei Nervenleiden und in der OP-Robotik. Ein gutes Beispiel ist Dexcom. Das auf Diabetesmessgeräte spezialisierte US-Unternehmen ist führend bei den Geräten für die Echtzeitüberwachung des Blutzuckerspiegels anhand der digitalen Datenanalyse. In diesem Jahr steht eine neue Generation dieser Produktgruppe vor der Markteinführung. Für Dienstleister und Versicherer ergibt sich vor allem in den USA ein hohes Wachstumspotenzial aus der vertikalen Integration der Anbieter, der wachsenden Zahl krankenversicherter Personen sowie Effizienzsteigerungen infolge niedriger Verwaltungskosten wegen der fortschreitenden Digitalisierung. Ebenso werden die im Zuge der Coronapandemie verschobenen Gerätebestellungen und medizinischen Behandlungen von nichtlebensbedrohlichen Krankheiten wieder Fahrt aufnehmen. Die Summe dieser Faktoren sorgt für stabile Wachstumsraten, welche an den Finanzmärkten die Rolle der Medizintechnik als einer der stabilsten und defensivsten Sektoren festigen.

Digitale Gesundheit wird unterschätzt

Wie in anderen Bereichen von Arbeitswelt und Alltag sind Sensoren, Cloud-Datenspeicher oder künstliche Intelligenz auch in der Gesundheitsversorgung auf dem Vormarsch. Disruptive Technologien verbessern die Behandlung und erhöhen die Effizienz, beispielsweise durch die digitale Analyse von Patientendaten. Im Feld der digitalen Gesundheit geben kleine und mittelgrosse Unternehmen den Ton an. Nach der starken Kursperformance im Jahr zuvor sorgte die 2021 vollzogene Sektorrotation in Large Caps im Jahr 2021 bei den Aktien der Nischenplayer in der digitalen Gesundheit teilweise für Kursverluste.

Die fundamental starke Verfassung im wachstumsstarken Digital-Health-Bereich ist weiter intakt. Bei Umsatz und Ergebnis konnten die meisten Firmen im vergangenen Jahr ihre bisherige Wachstumsdynamik beibehalten. Aus diesem Grund sind die Aktien der Firmen, die in der digitalen Gesundheit tätig sind, inzwischen um 40 Prozent niedriger bewertet als noch Anfang 2021. Setzt sich die zuletzt zu beobachtende Rotation zurück in Nebenwerte aus der Gesundheitsbranche fort, steht die digitale Gesundheit vor einem eindrucksvollen Comeback. Hält man sich dazu noch vor Augen, dass die Gesundheitsversorgung weltweit immer noch zu den am wenigsten digitalisierten Branchen zählt, bleiben auch die langfristigen Perspektiven vielversprechend. In der Summe finden Anleger bei Gesundheitstiteln je nach Anlagehorizont ein weites Feld an Kaufargumenten. Biotechs und digitale Gesundheit sind tendenziell eher volatile Anlagen mit hohen Wachstumsraten. Pharma dient hingegen als defensive Absicherung in Zeiten steigender Inflation und die Medizintechnik wird von Nachholeffekten für die Zeit nach Corona profitieren.

Autor: Dr. Cyrill Zimmermann, Head Healthcare Funds & Mandates bei der Bellevue Asset Management AG