VCI: Chemisch-pharmazeutische Industrie erzielt 265 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2022

Pharmabereich wächst um rund fünf Prozent, Chemieproduktion sinkt um fast zwölf Prozent

Pharmaproduktion

Die chemisch-pharmazeutische Industrie hat im vierten Quartal 2022 ihre Talfahrt fortgesetzt. Die chemische Produktion brach weiter ein, und die Kapazitäten waren nicht ausgelastet. Die sinkende Nachfrage der industriellen Kunden sowie rückläufige Erzeugerpreise führten im letzten Quartal des Jahres auch zu einem Rückgang der Umsätze im In- und Ausland. Besser entwickelte sich die Pharmaproduktion mit einem Zuwachs von 4,8 Prozent.

Der Blick in die Zukunft hat sich in Deutschlands drittgrößter Industriebranche dagegen etwas aufgehellt. Die deutlich gesunkenen Energie- und Rohstoffpreise der vergangenen Monate haben die Situation inzwischen stabilisiert. Die Talsohle scheint erreicht. Der Verband der Chemischen Industrie (kurz VCI) rechnet aber nicht mit einer kraftvollen Erholung. Im internationalen Vergleich hohe Energiekosten, der Auftragsmangel und Standortprobleme sprechen dagegen. Die Lage am Chemie- und Pharmastandort bleibt damit schwierig.

VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup kommentiert die aktuelle Situation: „Die Energiekrise hat es offenbart: Deutschland hat ein enormes Standortproblem. Ob Energie, Infrastruktur, Fachkräfte, Digitalisierung oder ein effizientes, leistungsfähiges Staatswesen: Wir glauben uns vorne, spielen aber inzwischen gegen den Abstieg. Nur ein industriepolitischer Neustart hält uns im Wettlauf um die Märkte der Zukunft in der ersten Liga. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Weniger Regulation für mehr Transformation.“

59,2 Milliarden Euro Umsatz im 4. Quartal 2022

Die Produktion ging im Vergleich zum Vorquartal um fünf Prozent zurück. Im Vorjahresvergleich entsprach dies einem Minus von 14 Prozent. Die Kapazitätsauslastung der Branche sank erneut und lag zuletzt bei 76,5 Prozent. Die Erzeugerpreise sanken erstmals seit dem 2. Quartal 2020 wieder, im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent. Damit waren chemische und pharmazeutische Erzeugnisse immer noch fast 18 Prozent teurer als ein Jahr zuvor. Sinkende Nachfrage, starke Produktionsdrosselungen und rückläufige Erzeugerpreise führten im letzten Quartal des Jahres auch zu einem Rückgang der Umsätze. Der Gesamtumsatz der Chemie- und Pharmaindustrie sank saisonbereinigt um 3,7 Prozent auf insgesamt 59,2 Milliarden Euro. Betrachtet man beide Branchen separat, dann hat sich der Pharmaumsatz im vierten Quartal positiv entwickelt. Im Vergleich zum 3. Quartal 2022 erhöhte er sich um 8,4 Prozent und wuchs sogar um 10,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Dagegen ist der Chemieumsatz im vierten Quartal um 6,8 Prozent gegenüber dem 3. Quartal 2022 gesunken, jedoch um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen. Mit Blick auf das Gesamtjahr 2022 ging die Produktion um 6,6 Prozent zurück. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, ist das Minus mit fast zwölf Prozent sogar zweistellig. Der Umsatz der Branche stieg auf 265 Milliarden Euro. Das Umsatzplus in Höhe von insgesamt 16,6 Prozent ist vor allem auf die Preissteigerungen von knapp 22 Prozent zurückzuführen. 

Ausblick: 2023 bleibt schwierig

Die deutlich gesunkenen Energie- und Rohstoffpreise der vergangenen Monate dürften die Situation im ersten Quartal 2023 stabilisieren. Das spiegelt sich auch in einem zuversichtlicher werdenden Geschäftsklima wider. Doch Große Entrup warnt: „Auch wenn sich die Stimmung aufhellt, die Sorgen bleiben und anders als in der Pandemie oder der Weltwirtschaftskrise wird es diesmal keine kraftvolle Erholung geben.“ Laut VCI sprechen vier Faktoren dagegen: Die Inflation wird über mehrere Jahre erhalten bleiben.  Die Schwäche der Weltwirtschaft setzt sich fort. Die Energiekrise in Deutschland und Europa ist noch nicht gelöst und Deutschland hat ein massives Standortproblem.

Produktionsrückgang von acht Prozent für Chemieindustrie erwartet

Eine genaue Prognose ist angesichts volatiler Rahmenbedingungen weiterhin schwierig. Der VCI rechnet für das Gesamtjahr 2023 mit einem Produktionsrückgang von rund fünf Prozent. Rechnet man das Pharmageschäft heraus, dürfte die Produktion in diesem Jahr acht Prozent niedriger liegen als 2022. Bei rückläufigen Preisen wird der Branchenumsatz in diesem Jahr voraussichtlich um gut sieben Prozent sinken.

Neuordnung durch nachhaltige Transformation

Welche Auswirkungen die aktuellen Entwicklungen auf die Unternehmensstrategien haben, zeigt eine Mitgliederbefragung des VCI. Viele Unternehmen planen, die Energieversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen, unter anderem durch Investitionen in die Eigenerzeugung, zum Beispiel in Solaranlagen oder Windparks, und energieeffiziente Produktionsverfahren. Ziel ist es, die nachhaltige Transformation weiter zu beschleunigen. Knapp 70 Prozent der Unternehmen gaben an, ihre Abhängigkeit von Vorprodukten aus Ländern mit hohem Risikopotenzial reduzieren zu wollen und ihre Lieferketten global zu diversifizieren. Zwar stellt fast jedes zweite Unternehmen seine Globalisierungsstrategie auf den Prüfstand, doch unterm Strich bleibt es dabei, dass die Unternehmen vom globalen Wachstum sowohl durch Exporte als auch durch Produktion vor Ort profitieren möchten.