Fälschungsschutzrichtlinie wird Pharma-Markt verändern

Umrüstungkosten von bis zu 100.000 Euro pro Fertigungsstraße erwartet

Packungsnummern über Data Matrix Code sollen Arzneimittel fälschungssicher machen Securpharm

Rund 400 Vertreter von Pharmaunternehmen, Großhändlern, Apothekern sowie ihren nationalen und internationalen Verbänden nahmen an den 2. Infotagen zur EU-Fälschungsschutzrichtlinie teil. Securpharm, eine Initiative zum Schutz vor gefälschten Arzneimitteln, hatte zu dem Branchentreff geladen, um über den aktuellen Stand der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie in Deutschland sowie über den Status quo des europäischen Gesetzgebungsprozesses zu informieren. Redner waren Fachleute und Praktiker aus Industrie, Großhandel und Apotheken sowie verantwortliche Vertreter der EU-Kommission und des Bundesministeriums für Gesundheit.

Derzeit warten die Akteure der Arzneimittelversorgung auf den für dieses Jahr angekündigten delegierten Rechtsakt, der die technischen und organisatorischen Vorgaben zur Umsetzung der europäischen Richtlinie 2011/62/EU zum Schutz des Patienten vor gefälschten Arzneimitteln macht. Danach gilt eine Umsetzungsfrist von drei Jahren bis die Vorgaben der Richtlinie in ganz Europa rechtswirksam werden. Doch bereits jetzt ist deutlich: Es handelt sich um eines der größten Infrastrukturprojekte der Arzneimittelversorgung. Betroffen sind allein in Deutschland etwa 500 pharmazeutische Unternehmen, rund 20.000 Apotheken sowie Krankenhausapotheken und alle pharmazeutischen Großhandlungen. Über 700 Millionen Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel pro Jahr müssen mit einem Data Matrix Code bedruckt werden, der eine individuelle Packungsnummer enthält und so jede Packung zu einem Unikat macht.

Einig waren sich die Experten, dass die Vorgaben der Fälschungsschutzrichtlinie eine Herausforderung für alle Beteiligten der pharmazeutischen Lieferkette sind. Dr. Reinhard Hoferichter, Sprecher des Vorstandes von Securpharm: "Die Hersteller müssen die Umstellung ihrer Produkte auf Serialisierung als ein organisationsübergreifendes Change-Projekt verstehen, das neben den Prozessen in der Arzneimittelfertigung auch die IT, die Qualitätssicherung und den Vertrieb betrifft." Das Management der Seriennummern gilt unter Fachleuten als der sensibelste Punkt des Prozesses, da hiervon die Echtheitsprüfung der Arzneimittel in der Apotheke abhängt.

Die Initiative hat schon 2011 mit der Umsetzung der Fälschungsschutzrichtlinie begonnen und erprobt diese seit 2013 in der Praxis. Hoferichter:"Von diesem zeitlichen Vorsprung können Unternehmen profitieren, in dem sie sich schon jetzt mit Securpharm verbinden, um interne Prozesse zu trainieren und Fehlerquellen systematisch zu identifizieren und auszuschließen." Die hohe Komplexität der Prozesse erfordert es, ausreichend Ressourcen für die Implementierung einzuplanen. Nahezu alle Produktionsstraßen etwa müssen für die neuen Sicherheitsmerkmale umgerüstet werden. Hier kommen auf die Pharmaindustrie geschätzte Kosten für die Umrüstung von bis zu 100.000 Euro pro Fertigungsstraße zu.

Bislang sind lediglich Eckpunkte des delegierten Rechtsaktes bekannt. Die Packungsdaten etwa sollen mit einem Data Matrix Code versehen werden. In dem Code müssen ein Produktcode, die Seriennummer sowie voraussichtlich die Chargenbezeichnung und das Verfallsdatum enthalten sein. Die Daten werden vom Hersteller in der Hersteller-Datenbank hinterlegt und bei der Abgabe in der Apotheke überprüft (End-to-End-Verifikation). Aufbau und Betrieb der jeweiligen nationalen Systeme soll über die entsprechenden nationalen Stakeholder-Organisationen bei gleichzeitiger Kontrolle durch die nationalen Behörden erfolgen. Die nationalen Systeme der EU-Staaten sollen zusammenarbeiten können. Die Fälschungsschutzrichtlinie bezieht sich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel und einige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Eine genaue Liste wird als Anlage zum delegierten Rechtsakt erwartet.