Schwabe setzt auf Automatisierungs-Knowhow von Rösberg

Sicherheitstechnische Betrachtung bei der Migration einer Flashverdampferanlage

Umlauf-Flashverdampferanlage: Mit der Anlage werden pflanzliche Extrakte eingedampft

Zum sicheren Betrieb einer Pharmaproduktionsanlage gehört immer auch die funktionale Sicherheit, deren Ziel es ist, Menschen und Umwelt vor gefahrbringenden Fehlfunktionen zu schützen. Bei komplexen Anlagen oder Anlagenteilen kann es ein herausforderndes Unterfangen sein, die notwendigen Schutzfunktionen zu realisieren und zu gewährleisten. Es fordert neben dem automatisierungs- und prozesstechnischen Knowhow auch Kenntnisse zu rechtlichen Vorgaben und Normen sowie Erfahrung. Wie ein Lösungsansatz aussehen kann, zeigt die Migration einer Umlauf-Flashverdampferanlage bei Dr. Willmar Schwabe in Durlach. Mit der Anlage werden pflanzliche Extrakte eingedampft. Im Zuge der Migration waren auch die Anforderungen an die funktionale Sicherheit ein wesentliches Thema.

Das Pharmaunternehmen Dr. Willmar Schwabe hat sich auf die Forschung, Entwicklung und Herstellung von Phytopharmaka spezialisiert. Das 1866 als „Fabrikationsstätte für die Zubereitung von Arzneimitteln“ in Leipzig gegründete Unternehmen hat heute seinen Hauptsitz in Karlsruhe und ist die „Mutter“ der weltweit agierenden Schwabe-Gruppe. Am Standort Karlsruhe-Durlach findet sich neben der Firma Schwabe auch die Schwabe Extracta, die Wirkstoffe aus Pflanzen gewinnt. Herzstück der Extraktionsanlage ist eine Umlauf-Flashverdampferanlage. Mit dieser werden pflanzliche Extrakte eingedampft. Das für die Extraktion eingesetzte Lösemittelgemisch wird thermisch abgetrennt. Der gewonnene Extrakt ist am Ende quasi lösemittelfrei und entspricht in etwa der Konsistenz von flüssigem Honig. In der 1997 errichteten Anlage wurde die Automatisierung viele Jahre von einer Siemens S5 Steuerung ausgeführt, die im beschriebenen Projekt durch eine Siemens S7-Steuerung ersetzt werden sollte.

Rösberg prüft funktionale Sicherheit bei Schwabe

Anlagenbetreiber müssen sich mit Fragen rund um die funktionale Sicherheit beschäftigen, zum Beispiel beim Neubau einer Anlage. Für bereits bestehende Anlagen, die bisher keine Revision erfahren haben, gilt in der Regel Bestandsschutz auf Vorschriften, die zum Zeitpunkt des Anlagenbaus gültig waren. Wird die Anlage verändert, fällt dieser Bestandsschutz und die von der Anlage ausgehenden Risiken müssen neu betrachtet werden.

Auch die Umlauf-Flashverdampferanlage bei Schwabe fiel zunächst unter den Bestandsschutz. Als sich jedoch die Ersatzteilbeschaffung als schwierig gestaltete, wurde ein Umbau notwendig. Marc Ehrentraut ist Functional Safety Manager bei Rösberg Engineering. Er und seine Kollegen haben den Umbau über mehrere Stufen auch in Bezug auf die funktionale Sicherheit begleitet. Ehrentraut erläutert: „Es war nicht so, dass einfach eine Steuerung gegen ein neueres Modell getauscht wurde. Der Umbau hatte Auswirkungen auf viele prozessnahe Komponenten. Das war aber im Grunde der letzte Schritt eines längeren Prozesses. Durch die Migration kam nämlich eine ganze Tätigkeitenkette in Gang, an deren Ende erst die Migration stand. Wir durften auf dem Weg an verschiedenen Punkten mit unserem Knowhow unterstützen.“

Mit der Migration der Anlage fiel der Bestandsschutz. Deshalb musste Schwabe sich umfassend mit den Themen der aktuell gültigen Notwendigkeiten der funktionalen Sicherheit auseinandersetzen. Die Automatisierungsexperten von Rösberg kennen sich nicht nur mit der Projektumsetzung komplexer Systeme aus, sondern haben jahrelange Erfahrung im Bereich der funktionalen Sicherheit.

Potenzielle Gefahren im Voraus zu identifizieren

Am Anfang stand die „HAZOP“-Analyse. HAZOP bedeutet Hazard and Operability und steht für ein Gefährdungsanalyseverfahren, welches die Schritte Prognose, Auffinden der Ursache, Abschätzen der Auswirkungen und Gegenmaßnahmen beinhaltet. Ziel einer solchen Analyse ist es, potenzielle Gefahren für Menschen oder die Umgebung im Voraus zu identifizieren. Um diese Gefährdungspotenziale ausfindig zu machen, gilt es eine Anlage genau zu betrachten. Neben einem rein technischen Verständnis lassen sich nur mit den richtigen Fragen mögliche Gefahren ausfindig machen und passende Lösungsansätze entwickeln. Jörg Gregor, Director Produktionsbetreuung und Elektrotechnik bei Schwabe, berichtet von der Zusammenarbeit: „Rösberg hat für die Durchführung der HAZOP kompetente Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, die die notwendigen Gespräche zielführend moderiert haben. Hierbei wurde auch von Seiten Rösbergs erhebliches Knowhow in Bezug auf eingesetzte Techniken und Erfahrungen aus vergleichbaren Anwendungen eingebracht.“ Aus der Risikobetrachtung resultierten weitere Aufgaben wie zum Beispiel die Definition aktualisierter Schutzfunktionen, die Erstellung von Safetey Requirement Specifications und zudem der Entwurf des Safety Instrumented Systems. Auch bei den notwendigen quantitativen Nachweisen, den SIL-Berechnungen, und den komplexen Prüfanweisungen begleiteten die Automatisierungsexperten den Pharmahersteller.

Nach allen Sicherheitsprüfungen und den damit zusammenhängenden Spezifikationen folgte die Analyse des Bestandsequipments und der vorhandenen Automatisierungseinrichtungen. Ehrentraut erklärt: „Danach konnten wir relevante Maßnahmen definieren und das für die Migration notwendige Budget abschätzen. Mit diesen Daten wurde das Migrationsprojekt dann ausgeschrieben.“ Das Aufgabenspektrum umfasste das gesamte Projektmanagement und Projektengineering inklusive Unterstützung beim Entwurf der zukünftigen Anlagenstruktur sowie bei der Anfrage der Montagetätigkeiten. Auch die Erstellung von Ex-i-Nachweisen gehörte dazu und die Definition und Abstimmung der komplexen Software für die Automatisierung. Weiter beinhaltete es die Klärung und Erstellung der Schaltschrankbau-Dokumentation, das Beschaffungsengineering, die Erstellung der EMSR-Dokumentation, den Factory Acceptance Test beim Schaltschrankbau und die Unterstützung bei der Montagekoordination.

Migration von 125 Messstellen, drei Schaltschränken und S7 Steuerung

Automatisierungssysteme und eingesetzte Sensor- und Aktorsysteme mussten den am Anfang des Entwicklungsprozesses definierten Sicherheitsvorgaben entsprechen. Insgesamt umfasste die Migration etwa 125 Messstellen, drei zentrale Schaltschränke für Antriebstechnik und Spannungsversorgung sowie die S7-Steuerung und deren nicht Ex-i-Komponenten sowie zwei abgesetzte I/O-Kästen mit Ex-i-Signalbaugruppen und Magnetventilinseln. „Hierbei haben wir das Engineering für Hard- und Software realisiert“, berichtet Ehrentraut. Um das Safety Instrumented Systems sinnvoll testen zu können, haben er und sein Team die notwendige komplexe Testspezifikation entwickelt. Zudem haben sie bei den Functional Safety Assessments sowie bei der Verifikation zu den einzelnen Phasen des Sicherheitslebenszyklus unterstützt. Nach den erfolgreich durchgeführten Testprozeduren des komplexen Automatisierungssystems folgte die Begleitung bei der ZÜS-Abnahme. Ehrentraut erinnert sich: „Die Inbetriebnahme lief reibungslos ab. Hier hat sich unsere gründliche Vorarbeit bezahlt gemacht.“ Weil aber kein Projekt vollständig abgeschlossen ohne eine aktuelle Dokumentation ist, übernahmen die Automatisierungsexperten während des gesamten Projekts auch das Dokumentenhandling und übergaben dem Betreiber am Ende eine umfangreiche Anlagen-Dokumentation. Das Migrationskonzept konnte im vorgegebenen Zeitrahmen realisiert werden. Nicht nur deshalb ist der Auftraggeber zufrieden, Jörg Gregor resümiert: „Die Zusammenarbeit mit Rösberg war sehr gut, stets freundlich, respektvoll und transparent.“

Autorin: Dipl.-Betriebsw. (FH) Evelyn Landgraf, Marketing bei Rösberg Engineering
 

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