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Arzneimittelfälschungen: Wen interessiert das?

Gastbeitrag von Dr. Martin Kutter Co-Founder and President of AlpVision

Der Cryptoglyph ist zum De-facto-Standard für verdeckte Sicherheitsfunktionen bei großvolumigen Produkten geworden

Arzneimittelfälschungen sind leider Realität, und für manche sogar eine lebensbedrohliche. Gemäss einem OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) Bericht, welcher 2019 publiziert wurde, beträgt der aktuelle Wert von gefälschten Waren etwa 3.3 Prozent vom Handelsvolumen weltweit, Tendenz steigend. Afrikanische Länder leiden am meisten unter gefälschten Produkten. Patienten sterben nicht nur wegen Medikamentenmangel, sondern auch durch gefälschte Arzneimittel, welche entweder keine aktiven Substanzen, oder in manchen Fällen sogar gesundheitsbedrohliche Komponenten enthalten. Nach dieser Bestandsaufnahme, besteht die Herausforderung darin, die Gründe dafür und eine Lösung zu finden.

Wie so oft bei Problemen mit globalen Beteiligten und Unternehmen sind die Verantwortlichkeiten geteilt und es ist praktisch unmöglich einem einzelnen Drahtzieher die Schuld zuzuweisen. In einer Welt, getrieben von Unternehmenswert, Profitoptimierung und kurzfristigen Strategien. In einer Welt in der man den Eindruck hat, das Wohlbefinden der Unternehmen stehe über der persönlichen Gesundheit und Wohlbefinden, könnte man sich fragen „Wen interessiert das?“.

Zum Glück gibt es Gesetzgebungsbemühungen die über die Welt verteilt schützende Massnahmen gegen Produktefälschungen verlangen. Damit wird einerseits das Bewusstsein bezüglich der Problematik erhöht, und anderseits treibt es Hauptakteure an, sich über effektive Ansätze zur Problemlösung Gedanken zu machen. Europa wird durch die Falsified Medicines Directive (FMD) 2011/62/EU (Quelle 1), publiziert am 9. Februar, 2016 und in Kraft seit Februar 2019, dazu angetrieben. In den USA  hat der Präsident im 2013 die US Falsification Directive DCSA, Teil des FDA DQSA (Drug Quality Security Act) - (Quelle 2), genehmigt. Die Implementierung muss bis 2023 beendet sein.

Professionelle Arzneimittelhersteller bauen ihr Geschäft oft um folgende Frage herum auf: “Was sind meine Unternehmensziele“. Meines Erachtens gibt es nur eine einzige Antwort: Herstellung von Arzneimitteln mit Profit. Alle anderen Antworten sind Beschwichtigungen oder verfehlen den Punkt. Ich bin mir bewusst, dass dies nicht die Antwort ist, die man hören möchte, aber wie man so schön sagt: wir müssen uns der heutigen Realität stellen. Was bedeutet dies in Bezug auf Produktfälschungen? Gefälschte Produkte und Fälschungsschutzprogramme wirken sich im Allgemeinen nachteilig auf die Geschäftsergebnisse aus. Es ist wie Kopfweh für Arzneimittelhersteller und es gibt keine Pille, die eingenommen werden kann, um es verschwinden zu lassen. Management des Fälschungsrisikos erfordert ganzheitliches Denken, impliziert viele Akteure und kostet Zeit und Geld. Darüber hinaus müssen Pharmaunternehmen die regulatorischen Verpflichtungen einhalten und ethische und moralische Erwartungen erfüllen.

Was ist mit Banknoten

Um die Herausforderung anzugehen, werfen wir einen Blick auf Banknoten. Mit über 30 Sicherheitselementen, eindeutigen Identifikationsnummern, und einer äusserst stark kontrollierten Lieferkette, können Banknoten als physische Produkte mit einem der besten Schutzansätze betrachtet werden. Und trotzdem, nehmen wir zum Beispiel den Euro. Für die Jahre 2002 bis 2019 kamen jährlich zwischen 25 und 65 Fälschungen auf eine Million Euro, der sich im Umlauf befindlichen echten Banknoten. Dies sind ziemlich kleine Zahlen, aber das Problem liegt darin, dass die Benutzer oft nicht in der Lage sind gefälschte Banknoten von echten zu unterscheiden. Um die Echtheit einer Banknote zu überprüfen muss der Inhaber zuerst die Sicherheitselement kennen, und dann wissen wie man sie benutzt. Die Zentralbanken investieren viel Zeit und Mühe um mit Informationskampagnen die Menschen zu schulen.

Eine Studie von Osamu Masuda (Quelle 3) hat jedoch gezeigt, dass Nicht-Experten im Durchschnitt nur 3.9 Sicherheitselemente finden. Dies ist eine relativ kleine Zahl, die angesichts der sehr hohen Produktionskosten einer Banknote viele Fragen aufwirft. Alle früheren und aktuellen und Banknoten tragen auch eine eindeutige Identifikationsnummer oder Seriennummer. Der Zweck dieser Seriennummer ist vielfältig und seit geraumer Zeit wurde angenommen, dass die Nummer im Kampf gegen Fälschungen effektiv eingesetzt werden kann. Jahrzehntelanger Banknotengebrauch und aktiver Kampf gegen Fälschungen haben jedoch gezeigt, dass Seriennummern überhaupt nicht so effektiv und nützlich sind wie ursprünglich angenommen wurde. Heutzutage werden Seriennummern nicht aktiv als Sicherheitsmerkmal verwendet und es kann sein, dass wir in Zukunft Banknoten ohne sie sehen werden.

Gibt es also etwas Nützliches, das wir aus dem Banknoten-Ökosystem lernen und für den pharmazeutischen Bereich verwenden können? Hier meine Meinung dazu:

  • Serialisierung und Track & Trace sind zur Bekämpfung von Fälschungen nicht wirksam.
  • Die effektive Nutzung von Sicherheitselementen erfordert einen erheblichen Umfang an Endbenutzerschulungen.
  • Selbst hochgeschützte Produkte werden gefälscht und Benutzer können den Unterschied selten erkennen.
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