Pharmaindustrie steigert Produktion um 12,3 Prozent im ersten Quartal 2022

Pharma entwickelt sich positiv, Chemieproduktion rückläufig

Arzneimittel

Laut Branchenverband VCI konnte die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland das erste Quartal 2022 insgesamt noch zufriedenstellend abschließen. Deutschlands drittgrößter Industriezweig steigerte die Produktion leicht um 1,3 Prozent, weil sich der Pharmabereich positiv entwickelte. Hier konnte die Produktion um 12,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zulegen. Die restlichen Chemiesparten mussten hingegen ihre Produktion um durchschnittlich 1,1 Prozent gegenüber Vorquartal drosseln. Damit lag die Chemieproduktion ohne Pharma 1,6 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Im 12-Monatsvergleich legte die Produktion um 2,8 Prozent zu. Die Kapazitätsauslastung der Chemie- und Pharmaindustrie ging zurück und lag am Jahresanfang mit 80,9 Prozent unterhalb des Bereichs einer Normalauslastung.

Der Krieg in der Ukraine sowie Störungen in den Lieferketten und stark steigende Energie- und Rohstoffkosten machten den Unternehmen in der Chemie- und Pharmaindustrie zu schaffen. VCI-Präsident Christian Kullmann kommentiert die konjunkturelle Lage der Branche: „Vom erhofften Aufschwung nach dem Coronawinter ist nichts mehr übriggeblieben. Die Perspektiven unserer Branche sind wegen steigender Energie- und Rohstoffkosten zunehmend düster. Außerdem drosseln industrielle Kunden wegen gestörter Lieferketten ihre Produktion und bestellen weniger Chemikalien. Ein Gasembargo oder ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland hätte zusätzliche verheerende Auswirkungen.“

Umsätze profitieren von gestiegenen Erzeugerpreisen

Kräftig steigende Energie- und Rohstoffkosten beschleunigten im ersten Quartal den Preisauftrieb bei Pharmazeutika und Chemikalien. Die Erzeugerpreise der chemisch-pharmazeutischen Industrie legten am Jahresanfang mit einem Plus von 6,7 Prozent gegenüber Vorquartal noch einmal deutlich zu. Im Pharmabereich wurde lediglich ein Preisantieg von 1,9 Prozent verzeichnet. Die stark steigenden Erzeugerpreise bescherten der Chemie- und Pharmaindustrie am Jahresanfang noch einmal ein kräftiges Umsatzplus. Der Gesamtumsatz der Branche stieg trotz Produktionsrückgang saisonbereinigt um 7,8 Prozent auf insgesamt 66,3 Milliarden Euro. Das Corona-bedingt schwache erste Quartal 2021 wurde um 28,4 Prozent übertroffen. Der Umsatz mit inländischen Kunden nahm mit einem saisonbereinigten Plus von 9,8 Prozent besonders kräftig zu. Mit einem Inlandsumsatz von 26,1 Milliarden Euro wurde auch das Vorjahresniveau mit 36,2 Prozent kräftig übertroffen. Besonders hoch fielen die Umsatzzuwächse in der energieintensiven Grundstoffchemie aus, die teils Preiszuwächse von über 30 Prozent verzeichnete. Auch die Geschäfte auf den internationalen Märkten liefen gut. Der Auslandsumsatz der Branche stieg saisonbereinigt um 6,6 Prozent über Vorquartal. Mit 40,2 Milliarden Euro wurde 23,7 Prozent mehr als im Vorjahr auf den Auslandsmärkten umgesetzt.

Positiv entwickelten sich die Geschäfte in Europa, dem wichtigsten Absatzmarkt der deutschen Pharma- und Chemieindustrie. Der Krieg in der Ukraine dämpfte jedoch die Geschäfte mit den osteuropäischen Ländern. Insbesondere der Handel mit Russland ist im März um die Hälfte eingebrochen. Das Nordamerikageschäft verzeichnete mutmaßlich aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage nach Impfstoffen ein deutliches Plus. Die Umsätze in Asien nahmen sowohl bei Pharmazeutika als auch bei Chemikalien deutlich zu. Auch die Verkäufe in lateinamerikanische Länder legten kräftig zu.

Spartenentwicklung: Pharmaindustrie legt zu, Chemie rückläufig

Die Produktionsentwicklung der Sparten war im Quartalsverlauf mit Ausnahme der Pharmaindustrie nach unten gerichtet, entgegen zur steigenden Preisentwicklung. Weiterhin erfreulich lief es für die Hersteller von Pharmazeutika. Die Produktion von Arzneimitteln konnte im ersten Quartal des Jahres das sechste Mal in Folge ausgeweitet werden. Das Wachstum übertraf dabei alle anderen Chemiesparten. Bei moderaten Preissteigerungen stiegen die Umsätze im Vergleich zum Vorquartal deutlich, sowohl im In- als auch im Ausland. Insgesamt liefen die Geschäfte im Inland noch etwas besser als im Ausland. Die Hersteller von anorganischen Grundchemikalien konnten ihre Produktion gegenüber dem sehr schwachen Vorquartal ausweiten. Die Produktion von organischen Grundchemikalien, zu denen Petrochemikalien und Polymere zählen, wurde gegenüber Vorquartal gedrosselt. Weiterhin sehr schwierig waren die Geschäfte für die Hersteller von Fein- und Spezialchemikalien. Die Belebung bei den Herstellern von Wasch- und Körperpflegemitteln hielt im ersten Quartal an.

Ausblick: Konjunktureller Tiefpunkt noch nicht erreicht

Die chemisch-pharmazeutische Industrie hat trotz widriger Umstände für das erste Quartal 2022 noch eine zufriedenstellende Bilanz vorweisen können. Die Perspektiven für die wirtschaftliche Entwicklung haben sich jedoch seit Jahresbeginn erheblich eingetrübt. Dies gilt insbesondere in Europa. Viele Konjunkturexperten haben ihre Prognosen in den letzten Monaten deutlich nach unten korrigiert. In diesem Umfeld muss man für das deutsche Chemiegeschäft in den kommenden Monaten mit weiteren Dämpfern rechnen. Ob die Perspektiven sich zum Jahresende wieder verbessern, ist ungewiss. Sorgen bereiten den Unternehmen die Versorgungssicherheit bei Öl und Gas sowie die weitere Entwicklung in China. Der Branchenverband erwartet, dass das Produktionsniveau des Vorjahres kaum zu erreichen ist. Der VCI verzichtet weiterhin auf eine quantitative Vorhersage für die Entwicklung der Branche im Gesamtjahr 2022.