Bayer beteiligt sich an Pilotprojekt zur Reduzierung von Tierversuchen

„Organ-on-Chip" soll Tierversuche in der Entwicklung rezeptfreier Medikamente im besten Fall ersetzen

Organ-on-chip: Querschnitt von Biochip-Hohlräumen mit Zellen, die das Darmmodell darstellen

Zur Entwicklung von neuen Medikamenten gehören aktuell im Rahmen der präklinischen Forschung auch Tierversuche dazu. Bayer beteiligt sich im Rahmen einer erstmaligen Zusammenarbeit im Bereich der rezeptfreien Medikamente an der Entwicklung einer Plattform, die Tierversuche mit Hilfe der „Organ-on-Chip"-Technologie (kurz OoC) und interaktiver Berechnungssoftware reduzieren oder ersetzen soll. Mit dem Pilotprojekt, unterstützt von Esqlabs, „Dynamic42", dem Plazenta-Labor des Universitätsklinikums Jena und der Bayer-Division Consumer Health, sollen klinisch relevante Daten generiert werden, die für die Evaluierung neuer Arzneimittelkandidaten in der Forschung von entscheidender Bedeutung sind.

Im Rahmen des einjährigen Pilotprojekts soll untersucht werden, ob kleine Moleküle die Blut-Plazenta-Schranke bei schwangeren Frauen überwinden können. Das ist eine Patientengruppe, die aufgrund der Schwierigkeiten bei der Durchführung klinischer Forschung noch nicht ausreichend untersucht wurde. Die Plattform basiert auf einem mikrophysiologischen System (kurz MPS), einem so genannten „Organ-on-Chip", das die wichtigsten menschlichen Gewebe von Leber, Darm und Plazenta repräsentiert, die an der Medikamentendisposition beteiligt sind. Dazu kommt ein Pumpensystem, das die Zellkulturmedien zwischen den Geweben zirkulieren lässt. Durch die Digitalisierung der Plattform kann die Verteilung von Substanzen simuliert und die Daten auf menschliche Situationen übertragen werden.

Bayer will Tierversuche reduzieren

Auch wenn Tierversuche in der präklinischen Phase der Entwicklung neuer Medikamente oft vorgeschrieben sind, kann es in manchen Fällen schwierig sein, die Ergebnisse von Tieren auf Menschen zu übertragen. Im Erfolgsfall könnte die Plattform dazu beitragen, Tierversuche zu reduzieren und gleichzeitig die Entwicklungsergebnisse zu verbessern, die Kosten zu senken und nicht zuletzt die Patientensicherheit zu erhöhen. „Bayer arbeitet intensiv mit Interessenvertretern auf nationaler und internationaler Ebene zusammen, um alternative Methoden zu entwickeln und so die Zahl der Tierversuche kontinuierlich zu reduzieren. Es ist seit Jahren ein wichtiges Anliegen von Bayer, Tierversuche gemäß den 3R-Prinzipien zu minimieren (Reduce (Reduzieren), Refine (Verfeinern) und Replace (Ersetzen)). Wir freuen uns, in diesem gemeinsamen Projekt mit Wissenschaftlern von Esqlabs, Dynamic42 und dem Placenta Lab zusammenzuarbeiten, um neue Wege zur Minimierung von Tierversuchen zu finden und gleichzeitig zuverlässigere und genauere Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Produkten zu gewinnen", betont Assoc. Prof. Ramy Ammar, Emerging Science and Innovation Director für Verdauungsgesundheit in der Division Consumer Health von Bayer.

Gebündelte Kompetenzen

Im Rahmen der Vereinbarung werden die Unternehmen die Expertise von Esqlabs in der computergestützten Modellierung biomedizinischer Systeme, das Wissen von „Dynamic42" im Bereich des Gewebe- und Hardware-Engineering sowie das Knowhow von Bayer in der Vorhersage der Pharmakokinetik beim Menschen zusammenführen, um eine integrierte biologische und computergestützte Plattform zu schaffen. Das Placenta Lab verfügt über besondere Erfahrungen bei der Entwicklung und dem Bau einer „Plazenta-on-Chip“, dem Schlüsselelement dieser Studie. Esqlabs übernimmt die Entwicklung des computergestützten Softwaretools und Dynamic42 die Entwicklung einer „Multi-Organ-on-Chip“-Plattform einschließlich der Plazentaschranke. Bayer stellt Branchenleitlinien für die praktische Anwendung sowie Arzneimittel und Datensätze zur Verfügung, um die Vorhersagen der Plattform zu validieren. Finanzielle Details über die Zusammenarbeit wurden nicht bekannt gegeben.

Integration von virtuellen Zwillingen und Bioengineering

„Bei Esqlabs entwickeln wir Softwarelösungen für die translationale Forschung in den Biowissenschaften. Unsere Lösungen finden ihren Einsatz an kritischen Entscheidungspunkten in der präklinischen Arzneimittelentwicklung. Die MPS-Plattform, die wir als Team entwickeln, ist ein großartiges Beispiel für die Integration von virtuellen Zwillingen und Bioengineering. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern von Bayer, „Dynamic42" und dem Placenta Lab", sagte Dr. Christian Maass, OoC-Research Lead bei Esqlabs. „Das Konsortium teilt eine gemeinsame Vision und sieht die Chance, eine Plattform zu entwickeln, die vorhersagt, ob Wirkstoffe die Blut-Plazenta-Schranke passieren. Dies ist ein beispielloses Unterfangen und wir freuen uns sehr, Teil dieser Reise zu sein", fügt Dr. Stephan Schaller, CEO von Esqlabs, hinzu.

Hintergrund: Insgesamt 2,5 Millionen Versuchstiere in Deutschland

Laut Deutschem Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) wurden im Jahr 2021 insgesamt rund 2,5 Millionen Verwendungen von Versuchstieren gemeldet. Rund 56 Prozent der eingesetzten Versuchstiere dienten der pharmazeutischen Grundlagenforschung, etwa für Untersuchungen des Immun- und des Nervensystems. Rund 14 Prozent wurden für die Erforschung von Krankheiten wie beispielsweise Krebs bei Mensch und Tier und etwa 17 Prozent bei der Herstellung oder Qualitätskontrolle von medizinischen Produkten oder für toxikologische Sicherheitsprüfungen eingesetzt, etwa zur Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit von Arzneimitteln und Impfstoffen.
 

 

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