Amnog im Fokus bei HCHE Research Results live 2015

Erwartungen, Ergebnisse, Effekte

Amnog Gruppenbild mit Moderator

Neue Forschungsergebnisse rund um das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (Amnog) standen im Mittelpunkt der Veranstaltung HCHE Research Results live, die gestern im Hamburg Center for Health Economics (HCHE) stattfand. So gingen HCHE-Forscher unter anderem der Frage nach, ob ein vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) testierter Zusatznutzen die Marktdurchdringung, das heißt mehr Verordnungen durch Ärzte, beschleunigt.

Zudem untersuchten sie, ob international einheitlich entschieden wird; also ein in Deutschland bestätigter Zusatznutzen auch in anderen Ländern festgestellt wurde. Unter welchen Bedingungen finden ferner patientenberichtete Endpunkte, insbesondere die Lebensqualität, Berücksichtigung im AMNOG-Verfahren? Diese Ergebnisse diskutieren die HCHE-Wissenschaftler mit Professor Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, und Dr. med. Martin Zentgraf, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). Moderiert wurde die Veranstaltung, an der rund 100 Gäste teilnahmen, von Professor Dr. Jonas Schreyögg, wissenschaftlicher Direktor des HCHE.

Einfluss der G-BA Entscheidung auf der Verordnungsverhalten der Ärzte
Seit Inkrafttreten von Amnog 2011 werden alle neuen Medikamente auf ihren Zusatznutzen untersucht. Findet der G-BA diesen nicht, erfolgt starke Preisregulierung, beispielsweise die Eingruppierung in Festbetragsgruppen, im positiven Fall kommt es zu Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Hersteller. Ein Forscherteam um Professor Dr. Tom Stargardt vom HCHE untersuchte, wie groß der Einfluss der G-BA-Entscheidung auf das Verordnungsverhalten der Ärzte ist. „Ärzte verschreiben eher ein neues Medikament mit Zusatznutzen“, weiß Tom Stargardt und errechnete, dass diese Arzneimittel in den ersten 20 Monaten nach Markteintritt von bis zu fünfmal so vielen Ärzten verschrieben werden wie Arzneimittel ohne Zusatznutzen. Damit wirkt der Begriff „Zusatznutzen“ wie eine erfolgreiche Marketingkampagne für den Hersteller.

Welchen Einfluss hat Lebensqualität auf die Entscheidung „Zusatznutzen“? HCHE-Wissenschaftler wollten wissen, ob Kriterien, wie „ein normales Alltagsleben führen“, „weniger Zeit für die tägliche Behandlung zu brauchen“ oder „weniger abhängig von Ärzten und Kliniken zu sein“, relevant sind und berücksichtigt werden? Professor Dr. Matthias Augustin vom HCHE fand mit seinem Team in einer qualitativen Studie heraus, dass diese zwar in den eingereichten Dossiers enthalten sind, aber nur selten zur Bewertung des Zusatznutzens herangezogen werden. Woran liegt das? „Obwohl die Lebensqualität in den gesetzlichen Vorgaben verankert ist, werden die eingebrachten Daten oft nicht akzeptiert“, so Matthias Augustin.

Enge Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten ist entscheidend
Um statistisch signifikante und klinisch relevante Daten zu erhalten, müssen zahlreiche methodische Erfordernisse erfüllt sein. Pharmaunternehmen können aber durch geeignete Messinstrumente und Verfahren die Ausgangslage verbessern. „Entscheidend ist darüber hinaus die enge Zusammenarbeit zwischen Instrumententwicklern, Medizinern, den Kommissionen und der Industrie – unter Patientenbeteiligung“, so Augustin weiter. „Ein frühzeitiger Konsens über die sachgerechte Methodenwahl erspart Konflikte bei der Nutzenbewertung und erhöht die Chance für den Patienten auf schnellen Zugang zu innovativen Medikamenten“.

Kommen Institutionen in anderen Ländern zu denselben Entscheidungen wie der G-BA? „Nein“, bestätigt Tom Stargardt, der die G-BA-Entscheidungen mit denen vergleichbarer Institutionen in England, Schottland und Australien untersuchte. Es gibt in der Regel nur wenige Übereinstimmungen zwischen den Ländern. So zeigte sich zum Beispiel, dass der G-BA von den 39 Patientengruppen, bei denen das englische NICE einen Zusatznutzen fand, nur 19-mal auf Zusatznutzen entschied. Ähnlich ist das Verhältnis im Vergleich zu den anderen Ländern. „Wir gehen davon aus, dass die Unterschiede durch den unterschiedlichen Prozess, die sich unterscheidenden Bewertungskriterien und den unterschiedlichen Umgang mit Evidenz zustande kommen.“, so Tom Stargardt.