Erkältung, Magenbeschwerden oder Schlaflosigkeit: „Klosterfrau Melissengeist“ in der blauen Verpackung mit den drei charakteristischen Nonnen gilt in Deutschland seit fast 200 Jahren als traditionelles Heilmittel in der Hausapotheke. Für die Abfüllung setzt der Arzneimittelhersteller auf eine Linie von Syntegon Technology, bestehend aus einer FLK Füllmaschine und drei VRM Verschließmaschinen. Diese Kombination bietet nicht nur Flexibilität für zahlreiche Formate in der Abfüllung, sondern vor allem Sicherheit entsprechend der Atex-Richtlinien für Explosionsschutz.
Die Wurzeln des traditionsreichen Unternehmens reichen bis ins Jahr 1826 zurück. Damals von der Klosterfrau Maria Clementine Martin in Köln gegründet, zählt die Klosterfrau Healthcare Group heute mit mehr als 1.000 Mitarbeitern zu den bedeutendsten deutschen Arzneimittelherstellern. Das Unternehmen vertreibt weltweit über 400 Artikel in 48 Ländern, darunter neben dem bekannten Melissengeist auch Produkte wie Franzbranntwein und Desinfektionsmittel. Das breite Produktportfolio erfordert große Flexibilität. Daher setzt Klosterfrau auf verlässliche Technologien des langjährigen Partners Syntegon Technology, ehemals Bosch Packaging Technology. Nach intensiver Projektplanung ging die neue Füll- und Verschließlinie für flüssige Produkte im Frühjahr 2020 an den Start. Die Kombination der linearen FLK Kolbenfüllmaschine mit drei rundlaufenden Verschließmaschinen des Typs VRM sollte gleich mehrere Formate mit unterschiedlichen Packmitteln verarbeiten können.
Vielseitigkeit dank flexibler Abfüllung
Die installierte FLK Füllmaschine eignet sich für die Abfüllung von 14 Flaschenformaten: darunter 11 verschiedene Glas- und drei Kunststoffflaschen, die zwischen 47 Millilitern und 700 ml Flüssigkeit fassen. Die Kombination mit drei VRM rundlaufenden Verschließmaschinen sorgt nach der Abfüllung für eine hohe Flexibilität und für sichere und dichte Verschlüsse. Die erste VRM setzt je nach Verwendungszweck den passenden Ausgießer auf, bevor die Flaschen in der zweiten Maschine mit Verschlusskappen versehen werden. Eine dritte Verschließmaschine stülpt optional den typischen mehrstufigen Messbecher über die Verschlüsse von Produkten wie dem Melissengeist. Ein Objektträgersystem befördert die Behältnisse durch die Linie. Das sorgt für einen unkomplizierten Formatwechsel: Lediglich der schnell entnehmbare Objektträger muss getauscht werden, der aufwändige Umbau von Flaschen-Formatteilen entfällt. Die Rüstzeiten, inklusive validierter Reinigung, werden damit optimiert und auf ein Minimum reduziert.
Eine besondere Herausforderung in der Produktion: Melissengeist wird oral eingenommen, während Produkte wie Franzbranntwein und Desinfektionsmittel zur äußeren Anwendung bestimmt sind. Alle werden auf derselben Anlage abgefüllt, ohne die Sicherheit von Konsumenten zu gefährden. Entsprechend hoch waren die Anforderungen an das Reinigungssystem bei Formatwechseln. „Geschmack, Geruch und vor allem Anwendung der verarbeiteten Produkte weichen stark voneinander ab. Die wechselnde Verarbeitung birgt das Risiko, dass ein Produkt durch Rückstände eines anderen verunreinigt wird. Für sichere, kontaminationsfreie Produkte ist das innovative Reinigungssystem CIP+ von Syntegon elementar“, fasst Tobias Pabst, Senior Betriebsingenieur für die Werke Liquida und Hartkaramelle bei Klosterfrau, zusammen. Das integrierte CIP-System (Cleaning In Place) der FLK Füllmaschine ermöglicht eine rückstandsfreie, sichere Reinigung. Die Reinigungsprogramme können individuell festgelegt und angepasst werden, der Reinigungsprozess bleibt somit auch bei verschiedensten Produkten reproduzierbar und validierbar.
Sicherheit rund um explosionsgefährdete Flüssigkeiten
Neben der Kontaminationsgefahr bestand eine weitere Herausforderung in der Abfüllung explosionsgefährdeter Flüssigkeiten. Für die Herstellung pflanzlicher Arzneimittel nutzt Klosterfrau Alkohol. Im Destillationsverfahren löst er Wirkstoffe aus den Pflanzenteilen, während seine Eigenschaften gleichzeitig die Haltbarkeit der Produkte verbessern. Durch den hohen Alkoholanteil sind Produkte wie Melissengeist, Franzbranntwein und Desinfektionsmittel aber leichtentzündlich und können explosionsfähige Gas/Luft-Gemische bilden. Die neue Linie musste daher die notwendigen Atex-Standards (Atmosphères Explosibles) einhalten. Dank rund 40-jähriger Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Klosterfrau wussten die Maschinenbauexperten von Syntegon, worauf es ankommt, und lieferten mit der Atex-zertifizierten Abfülllinie mit Luftabsaugvorrichtung eine maßgeschneiderte Lösung.
„Dank der individuellen Zusammenstellung der Anlage konnten wir drei Produktionslinien zusammenführen und bestehende Komponenten, wie zum Beispiel einen Flaschensortierer oder Flaschenetikettierer, mit der neuen Füll- und Verschließmaschine kombinieren. Das spart nicht nur Platz, sondern macht die Anlage zu einem geschlossenen System. Leicht entzündliche Dämpfe können nicht entweichen, sodass wir nicht den gesamten Raum nach Atex-Richtlinien umbauen mussten“, erklärt Tobias Pabst. Die Anlage ist außerdem mit speziellen Kunststoffen und Sensorik ausgestattet. Das stellt sicher, dass sich Produktreste nicht an heißen Oberflächen oder durch statische Aufladung der Transportbänder entzünden. Zusätzlich saugt eine Absaugvorrichtung kontinuierlich Luft aus der Anlage, damit sich auch im Inneren kein Alkohol in der Luft konzentriert.
Zusammenarbeit fördert Produktionseffizienz
Zusätzlich zum Explosionsschutz stellte auch die Unterbringung der komplexen Abfülllinie im Produktionsraum hohe Anforderungen an das Projektteam. Durch die Kombination mehrerer Maschinen war der Aufwand für Planung und Installation entsprechend umfangreich. Klosterfrau setzte dabei großes Vertrauen in die Lösungskompetenz von Syntegon - und der Einsatz hat sich gelohnt: Die Linie ist voll ausgelastet, die Ausbringung konnte im Vergleich zur vorherigen Anlage erhöht werden und das mit geringerem Aufwand für die zuständigen Mitarbeiter.
Neben den technischen Aspekten betont Tobias Pabst die konstruktive Zusammenarbeit mit Syntegon Technology: „Unsere Ansprechpartner standen uns mit Rat und Tat zur Seite, auch wenn es knifflig wurde. Die Syntegon Experten arbeiteten lösungsorientiert und konnten durch ihre Erfahrung die Herausforderungen der flexiblen Abfüllmöglichkeiten unter Einhaltung von Atex-Standards für uns passend umsetzen. Diese Synergien bleiben uns hoffentlich auch für zukünftige Projekte erhalten.“ Die neu gewonnene Flexibilität ermöglichte Klosterfrau unter anderem die schnelle Umstellung der Füll- und Verschließlinie auf die Abfüllung von Desinfektionsmitteln, die während der Corona-Krise dringend benötigt wurden - 500.000 Flaschen gingen davon als Spende direkt an das Land Nordrhein-Westfalen.