Pharmabranche setzt verstärkt auf Fusionen und Übernahmen

Umsatz- und Gewinnrückgang zwingt zum Handeln

Einkaufswagen

Big Pharma steht weiter unter Druck: Der Pharma-Umsatz der weltweit größten zehn Pharma-Konzerne sank im vergangenen Jahr um 2,1 Prozent auf knapp 240 Mrd. Euro. Bereits im Vorjahr waren die Umsätze um gut drei Prozent gesunken. Und auch die Gewinne sind rückläufig: Der operative Gewinn (EBIT) der Konzerne sank um fünf Prozent auf knapp 85 Milliarden Euro.

Gleichzeitig holen kleinere Player weiter auf: Die Unternehmen, die im Umsatzranking die Plätze elf bis 20 belegen, konnten ihren Umsatz um 6,6 Prozent steigern. Beim Gewinn legten sie um 2,9 Prozent zu - und das, obwohl sie ihre Forschungsausgaben deutlich steigerten: um 10,2 Prozent. Anders die Marktführer: Die Top 10-Unternehmen sparten bei den F&E-Ausgaben und reduzierten sie um 0,6 Prozent.

Sinkende Produktpreise, Kostendruck und stagnierende Nachfrage
Hauptgründe für die anhaltende Umsatz- und Gewinnschwäche der großen Pharmakonzerne sind sinkende Produktpreise, Kostendruck und eine stagnierende Nachfrage in den angestammten Märkten sowie die zunehmende Konkurrenz durch billige Nachahmerprodukte. Vor diesem Hintergrund setzen die Unternehmen weiter auf zum Teil massive Kostensenkungs- und Restrukturierungsmaßnahmen. Vor allem aber gehen die großen Player der Branche nun in die Offensive und setzten verstärkt auf Fusionen und Übernahmen, um ihre Marktposition zu verbessern - ein Trend, der in den kommenden Monaten anhalten dürfte. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Finanzkennzahlen der 20 größten Pharmaunternehmen der Welt, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY erstellt hat.

Marktführer suchen nach kleinen spezialisierten Firmen
Schon länger suchen die großen Marktführer daher nach kleinen spezialisierten Firmen mit innovativen Wirkstoffen in der Pipeline, um auf diesem Weg zusätzliches Wachstum zu generieren und in einzelnen Marktsegmenten eine führende Position einzunehmen. In den vergangenen Wochen hat der Konzentrationsprozess in der Pharmabranche aber zusätzlichen Schwung gewonnen - nun scheint es auch unter den großen Marktteilnehmern verstärkt zu großen Transaktionen zu kommen. Vor dem Hintergrund der Wachstumsschwäche von Big Pharma sei dies nicht überraschend - zumal die Rahmenbedingungen dafür gut sind, beobachtet Gerd Stürz, Leiter des Bereiches Life Sciences bei EY: "Ein fragmentierter Markt, niedrige Zinsen, große Player mit viel Geld in der Kasse und der Notwendigkeit einer strategischen Neuausrichtung - in kaum einer Branche ist der Konsolidierungsdruck derzeit so groß wie in der Pharmabranche".

Transaktionen im Wert von 84 Milliarden US-Dollar
Seit Jahresbeginn wurden in der weltweiten Pharmabranche Transaktionen im Gesamtwert von 84 Milliarden US-Dollar abgeschlossen. Damit haben die M&A-Aktivitäten schon in den ersten vier Monaten dieses Jahres nahezu das Niveau des gesamten Vorjahres erreicht: 2013 wurden weltweiten Fusionen und Übernahmen im Wert von knapp 88 Milliarden US-Dollar getätigt. Weitere Fusionen und Übernahmen wurden in den vergangenen Wochen angekündigt, aber noch nicht abgeschlossen. Diese Transaktionen eingerechnet, wird das Transaktionsvolumen in der Pharmabranche im Gesamtjahr 2014 bei mindesten 265 Milliarden US-Dollar liegen.

"Die Märkte haben in den vergangenen Jahren jene Pharmaunternehmen belohnt, die strategisch sinnvolle Akquisitionsstrategien verfolgt, ihre Portfolios fokussiert und ihr Kapital effizient eingesetzt haben", erläutert Stürz. Ein weiterer Aspekt verleihe der bevorstehenden Konsolidierungswelle in der Pharmabranche weitere Schubkraft: "Die grossen Player haben in den letzten Jahren nur wenig zugekauft. Um nicht hinter dem Wachstum des Gesamtmarkts zurückzubleiben, halten sie nun verstärkt Ausschau nach Firmen und Sparten, die zum bestehenden Portfolio passen".

Wachstum aus eigener Kraft immer schwieriger
Wachstum aus eigener Kraft wird für Big Pharma hingegen immer schwieriger: Gerade in Europa und den USA stehen die Arzneimittelpreise aufgrund des Sparzwangs der Kostenträger erheblich unter Druck. Und die Expansion in die Schwellenländer bietet zwar Wachstumschancen - angesichts des dort herrschenden niedrigeren Preisniveaus allerdings bei niedrigeren Margen. Zudem werden immer mehr Nachahmerprodukte statt teurere Originalpräparate eingesetzt. Bereits in den vergangenen Jahren haben die Pharmakonzerne mit massiven Kostensenkungsprogrammen reagiert, konnten bislang den Gewinnrückgang aber nicht stoppen. Die operative Gewinnmarge der Top 10 Unternehmen sank im Jahresvergleich von 25,5 auf 24,5 Prozent - die kleineren Wettbewerber konnten ihre Marge hingegen fast konstant halten - bei 25,1 Prozent.

Stagnierende Ausgaben bei Forschung und Entwicklung
Ausdruck der Sparbemühungen der Pharmaunternehmen sind auch stagnierende Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E). Die größten 10 Pharmakonzerne der Welt reduzierten 2013 ihre F&E-Ausgaben leicht um 0,6 Prozent - bei den kleineren Konzernen, die im Umsatzranking die Plätze 11 bis 20 belegen, stiegen die F&E-Investitionen hingegen kräftig an: um 10,2 Prozent. Damit setzt sich der Trend aus 2012 fort, als die Top 10 Konzerne ihre Ausgaben nur um 0,1 Prozent erhöhten, während die F&E-Ausgaben ihrer kleineren Wettbewerber um 8,9 Prozent stiegen.

Ausschlaggebend für den Umsatzrückgang der Pharma-Konzerne sind allerdings nicht rückläufige Blockbuster-Einnahmen: Die Umsätze mit Blockbuster-Präparaten stiegen um 0,2 Prozent auf knapp 194 Milliarden Euro - nachdem sie im Vorjahr noch um 1,8 Prozent gesunken waren. Profitieren konnten allerdings vor allem kleinere Pharma-Konzerne, deren Blockbuster-Umsatz um 1,8 Prozent zulegte, während die Top-10-Unternehmen einen Rückgang um 0,5 Prozent verzeichneten. "Blockbuster-Medikamente werden auch in Zukunft große Bedeutung für die Pharma-Konzerne haben", stellt Stürz fest. Ihr Anteil am gesamten Pharmaumsatz der größten 20 Pharma-Unternehmen der Welt stieg binnen Jahresfrist minimal von 57,0 auf von 57,1 Prozent.

Stärkster Umsatzwachstum bei Krebs-Medikamenten
Den stärksten Umsatzanstieg konnten die Pharmakonzerne mit Krebs- und Immun-Medikamenten generieren: Der Gesamtumsatz der 20 größten Pharmakonzerne in diesem Segment stieg von 74 Mrd. Euro im Jahr 2011 über 84 Mrd. Euro im Jahr 2012 auf 88 Mrd. Euro im vergangenen Jahr. Die Entwicklung von Krebsmedikamente sei für Pharmaunternehmen eines der interessantesten Gebiete, so Stürz: "Der Bedarf an neuen Medikamenten ist riesengroß, und die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Krebsmedikamente in der Regel bereitwilliger als in viele anderen Gebieten." Zudem gehörten Krebsmedikamente zu den teuersten Präparaten überhaupt, was sie für die Hersteller lukrativ mache. "Viele Pharmakonzerne haben ihre Forschungsbudgets reduziert, gleichzeitig konzentrieren sie sich auf umsatzstarke Projekte wie beispielsweise die Entwicklung von Krebsmedikamenten", erklärt Stürz die verstärkten Investitionen in diesem Gebiet. Umsatzrückgänge waren hingegen im gleichen Zeitraum im Segment Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Präparate zu verzeichnen: von 82 Mrd. Euro über 77 Mrd. Euro auf nur noch 73 Mrd. Euro im vergangenen Jahr.n

Umsatzsteigerungen in den kommenden Jahren erwartet
Insgesamt hatten die 20 größten Pharmakonzerne der Welt im vergangenen Jahr 2.570 Wirkstoffe in der Entwicklungspipeline - ein deutlicher Anstieg gegenüber 2012, als sich nur 2.406 Wirkstoffe in den Entwicklungsphasen I bis III befanden. Besonders erfreulich: Die Zahl der Wirkstoffe in Phase III - der letzten Phase vor der Zulassungsphase - stieg um 23 Prozent von 542 auf 664. In der Zulassung befanden sich 2013 insgesamt 125 Wirkstoffe (Vorjahr: 114), neu zugelassen wurden 73 Wirkstoffe (2012: 71; 2011: 22). "Die hohe Zahl an Wirkstoffen in Phase III lässt auf einen kräftigen Schub an Zulassungen in den kommenden Jahren hoffen - und auf entsprechende Umsatzsteigerungen", kommentiert Stürz.

Dabei dominieren Krebs- und Immunologie-Wirkstoffe die Entwicklungspipeline: Mit 1.377 Wirkstoffen in Phase I bis III entfallen mehr als die Hälfte (54 Prozent) der aktuellen Entwicklungsprojekte auf das Segment Onkologie und Immunologie - also auf den Bereich, der im vergangenen Jahr auch die stärksten Umsatzsteigerung verzeichnete. Herzkreislauf- und Stoffwechsel-Präparate rangieren mit 288 Wirkstoffen mit großem Abstand auf dem zweiten Platz, gefolgt von 204 Wirkstoffen im Segment Neurologie/Schmerztherapie.