Pharma-Talk mit Rainer Reuß, Domino Deutschland

Vom Reagenzglas zum Patienten

Pharma-Talk mit Rainer Reuß

Rainer Reuß betreut im Vertrieb bei Domino Deutschland als Pharma-Branchenspezialist die strategischen Kunden und Pharma-OEMs. Er ist staatlich geprüfter Elektrotechniker und kommt ursprünglich aus dem Bereich der Produktions- und Verpackungstechnik innerhalb der Pharmaindustrie. Seit 1993 ist er in der Branche der industriellen Kennzeichnungstechnik tätig. Mit pharmaindustrie-online.de sprach er kurz nach der Veröffentlichung der EU-Fälschungsrichtlinie über die neuen Anforderungen der Verordnung für Pharmaunternehmen sowie die Bedeutung des Kennzeichnungsprozesses für die Pharmaproduktion.

pharmaindustrie-online.de: Die Veröffentlichung des delegierten Rechtsaktes der EU-Fälschungsrichtlinie 2011/62/EU erfolgte am 9. Februar 2016. Damit läuft die dreijährige Umsetzungsfrist. Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation in der Pharmaindustrie hinsichtlich Serialisierung?
Für uns ist das ein sehr wichtiges Thema. Die Implementierung der Vorgaben der EU-Fälschungsrichtlinie in den Fertigungs- und Produktionsprozess ist recht umfangreich. Wir sind hier mit vielen großen Pharma-Konzernen in Kontakt. Diese haben sich relativ frühzeitig mit dem Thema beschäftigt und sind da auch schon sehr gut in der Umsetzungsphase vorangekommen.

Probleme sehen wir bei vielen kleinen und mittelständischen Pharmaunternehmen und Lohnherstellern, die sich mit dem Thema Fälschungssicherheit noch gar nicht oder nur sehr wenig befasst haben. Am 9. Februar wurde die Delegierte Verordnung dazu veröffentlicht, das heißt, die Uhr tickt. Der Zeitrahmen für diese Unternehmen, die sich mit dem Thema noch gar nicht befasst haben, ist sehr knapp bemessen. Das haben wir in den bis dato realisierten Projekten gelernt. Alle Beteiligten stehen vor einer Herausforderung, sowohl die Anwender als auch die Lieferanten.

pharmaindustrie-online.de: Was ist Ihrer Ansicht nach die richtige Strategie für eine erfolgreiche Implementierung bis 2019 und welche Rolle spielt dabei der Kennzeichnungsprozess?
Aus unserer Sicht ist die richtige Strategie für Pharmaunternehmen, die sich noch nicht damit befasst haben, umgehend loszulegen. Wir können sie hier unterstützen und ihnen Schritte aufzeigen, die abgearbeitet werden müssen. Das beginnt generell mit der Projektvorbereitung, als nächster Punkt folgt die Lieferantenauswahl. Sobald dies abgeschlossen ist, gilt es, mit Pilotanlangen Erfahrungen zu sammeln und danach die weitere Implementierung für die Verpackungsanlagen zu planen und umzusetzen. Nicht zu vergessen: die Qualifizierung, denn sie ist für die Pharmazeuten sehr umfangreich. Generell ist die Kennzeichnung zwar nur ein kleiner Teil im gesamten Prozess, aber mit der wichtigste. Denn ohne Kennzeichnung ist die Produktion nicht zulässig. Ein weiterer Aspekt sind die Bedingungen in der Anlage, denn bei ungenauer Planung sind Probleme vorprogrammiert. Fehler in Verbindung mit der Codierung sind schlecht gekennzeichnete Produkte, die eine hohe Ausscheiderate und das Absinken des OEEs, also der Gesamtanlageneffektivität, bewirken.

Der Kennzeichnungsprozess ist in der Projektierungsphase genau zu betrachten. Die Produktführung, mechanische Einflüsse wie beispielsweise Maschinenschwingungen und eine zuverlässige Kameraauswertung wirken sich zum Teil stark auf das Beschriftungsergebnis und somit auf die bereits benannte OEE aus. Auch die Auswahl der richtigen Materialqualität spielt eine Rolle. Verpackungsmaterialien müssen zum einen den mechanischen Verpackungsprozess überstehen, müssen aber auch beim Codieren, egal ob mit Laser oder Thermo-Inkjet, stabil halten. Zudem gilt es, das Verblassen der Farben vom Verpackungsmaterial und von der Kennzeichnungstechnik zu prüfen. Die Tinten sollten UV-beständig sein und das über mindestens fünf Jahre. Dieser Zeitraum  steht auch im Zusammenhang mit dem Verfallsdatum der Arzneimittel.

pharmaindustrie-online.de: Sind die von Domino angebotenen Systeme im Sinne der FMD-Richtlinie zukunftssicher und gibt es eine bevorzugte Technologie?
Alle in Frage kommenden Systeme von Domino sind grundsätzlich für die Serialisierung ausgestattet und können Datensätze sehr schnell und sicher verarbeiten und somit auf das Produkt aufbringen. Im Bereich Primärverpackung, also für die kleinsten Verpackungseinheiten, die ja von der FMD- Richtlinie betroffen ist, kommen in erster Linie die Thermo-Inkjet-Codierer der Domino G-Serie i-Tech und die Laser-Systeme der Domino D-Serie i-Tech in Frage. In manchen, ganz wenigen Fällen können auch Thermotransfer-Direktdruck-Systeme und Continuous-Inkjet-Systeme eingesetzt werden.  

pharmaindustrie-online.de: Wie verhält es sich mit einer sicheren Datenanbindung der Domino Systeme?
Die Daten werden weitestgehend über die Ethernet-Schnittstelle übertragen. Alle Domino Systeme sind damit ausgestattet. Die Abarbeitung der serialisierten Daten wird über sehr schnelle Prozessoren realisiert. Mit den in Frage kommenden Systemen können wir in Hochleistungsanlagen bis zu oder sogar mehr als 500 Beschriftungen pro Minute sicher und gesetzeskonform realisieren, ohne Einschränkung.  

pharmaindustrie-online.de: Die Forderungen für eine Rückverfolgbarkeit auf Artikelebene inklusive der Aggregation sind sehr komplex. Wie können Pharmaunternehmen sicherstellen, dass die Gesamtanlageneffektivität beibehalten wird, nachdem die Forderungen der Richtlinie implementiert sind?
Ein Wort zu Aggregation: Die EU-Richtlinie fordert das nicht. Das Konzept ist die Serialisierung der kleinsten Verpackungseinheit und Tamper Evident, d.h. Originalitätsverschluss. Aggregations- Lösungen kommen in Frage, wenn es um Lieferungen außerhalb der EU geht. In verschiedenen Ländern ist die Aggregation bereits Fakt oder befindet sich in der Umsetzungsphase.

Bezüglich Ihrer Frage nach der Gesamtanlagen-Effektivität liegt die Problematik oft im Detail, und die günstigste Lösung ist nicht unbedingt die beste und sichererste. Es ist der richtige Weg, eine enge Zusammenarbeit mit Systempartnern wie Maschinenbauern, Komponenten-, Kennzeichnungs-, Software- und Kameralieferanten zu suchen. Etablierte Partner haben inzwischen sehr viel Erfahrung, so dass sie mit dem Endkunden eine stabile, sichere und effiziente Lösung erarbeiten können.

pharmaindustrie-online.de: Eine letzte, persönliche Frage: In der asiatischen Kultur gilt Kopieren als höchste Form der Anerkennung. Stellen Sie sich vor, Sie hätten alle Möglichkeiten dazu, was würden Sie für kopierenswert halten – allen Fälschungsschutzrichtlinien zum Trotz?
Gefälscht werden kann ja alles, der Trend liegt da schon auf Konsumentenprodukten, zu denen ich auch die verschreibungspflichtigen Arzneimittel zählen möchte. Aber warum fälschen die Leute überhaupt? Weil es lukrativ ist, gerade im Pharmabereich. Wenn ich mich hier betätigen sollte (und ich möchte anmerken, dass das hier utopisch ist): Ich würde einen Frachtcontainer, der beispielsweise für ein neues und hochmodernes Labor für einen der großen Pharmakonzerne bestimmt ist, kopieren und am Hamburger Containerhafen einschleusen. Was da für enorme Werte drin stecken, kann man sich manchmal gar nicht vorstellen – das glaub ich würde sich richtig lohnen.

Herr Reuß, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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